Glänzende Zeiten by Soboczynski Adam

Glänzende Zeiten by Soboczynski Adam

Autor:Soboczynski , Adam [Soboczynski , Adam]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Herausgeber: aufbau
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


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17 MODE

Zu den unbedingt begrüßenswerten Disziplinarmaßnahmen des Menschen, denen er sich unterwirft, gehört die Mode. Gute Kleidung befreit ihn zumindest notdürftig von seiner unschönen Nacktheit, sie veredelt die Gebrechen des Alters, verdeckt Unvorteilhaftes des Körpers, kurzum: Sie verhilft ihm zu einem Mindestmaß an Ansehen. Sie legt sich wie die dunkelste Nacht über seinen grotesken, seinen sündenbefleckten, begehrten und begehrlichen Leib; einen Leib, der zu Unförmigkeit neigt, zu Schwangerschaft, zu Krankheit, zu kurioser Hässlichkeit. Derart geplagt, wartete der Mensch einst nur darauf, vom Christengott erlöst zu werden. Doch je gottloser die Zeiten, umso makelloser hat seine Gestalt zu sein, die nunmehr im Diesseits ihre Herrlichkeit unter Beweis stellen muss.

Schöne Kleidung ist offenkundigste Blendung. Nichts ist banaler als ihrem Träger Eitelkeit, Unnatürlichkeit, Camouflage vorzuwerfen (er würde doch niemals widersprechen!), wie es hierzulande über lange Zeit üblich war. Nur langsam hat es sich herumgesprochen, dass es gerade im Wesen der Mode liegt, nicht praktisch, zweckmäßig und bequem zu sein. Mode ist so unnütz wie vergoldete Säle, wie jene Teeräume, in denen man einst die Zeit verplemperte und das Geld verjubelte. Mode ist Überfluss. Sie sprengt den Tauschhandel, dem wir heute so unheilvoll erliegen im Zwischenmenschlichen. Mode ragt heraus. Sie ist schönste Verstellungskunst, schafft Unterschiede, Individualität, Distanz. Nur mit Mode halten wir das Miteinander aus, welches heimlich ja immer ein Gegeneinander, ein Abhorchen und Erspähen ist. Die Konkurrenz, die wir in Geschmacksfragen austragen, ist zivilisierte, anmutige Überheblichkeit, die uns gut ansteht.

Dass die Mode in Deutschland so zäh nur Fuß fasste, liegt, wie öfter angemerkt wurde, an einem furchtbaren Missverständnis. Kleidung wurde hierzulande nicht als ästhetisches Signal im öffentlichen Raum begriffen, sondern galt als weltanschauliches Bekenntnis: Eine Frau, die sich die Achselhöhlen nicht rasierte, wurde als emanzipiert, ein Mann, der die Krawatte aus seinem Kleiderschrank verbannte, als unspießig und locker angesehen. Wenngleich derlei fehlgeleitete Ideologisierung etwas abgeklungen ist, bedarf es doch noch immer gewissen Mutes, sich gut anzuziehen. Wer schon einen gewöhnlichen Anzug von der Stange trägt, muss sich durchaus die Frage gefallen lassen, ob er Geburtstag hat, zu einer Hochzeit eingeladen worden ist oder einen Trauerfall zu beklagen hat.

Nun scheinen die schlimmsten Entgleisungen der Anti-Mode, die in den 80er Jahren wohl ihren traurigen Höhepunkt erreicht hatte, als ein Anzugträger immer auf offener Straße angepöbelt und belästigt wurde, bewältigt. Hier und da zeigen sich Männer etwa wieder mit einem Jackett bekleidet, wenngleich der Jeans abzuschwören, die an sich nur sehr jungen Menschen steht, sich kaum jemand traut. Auch hat man die rechte Verwendungsweise bestimmter Kleidungsstücke noch nicht verinnerlicht.

Recht bewusst geworden ist mir dieser Umstand, als ich die Französin traf und sie mich fragte, weshalb sich hierzulande in den Zügen alle Menschen die Schuhe ausziehen. Während desselben Gesprächs fragte sie mich auch, weshalb hierzulande alle Männer, ganz anders als in Frankreich, unter dem Hemd nicht etwa ein Unterhemd tragen, sondern ein T-Shirt, was dem Hals, wie sie ganz zutreffend bemerkte, etwas unangenehm Eingeengtes und Zugeschnürtes verleiht. Das sei kurios!, rief die Französin aus. Ob ich ihr, da ihr die Landessitten noch etwas unvertraut seien, erklären könnte,



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